Leseprobe Seite 41 - 43

 

Um die Höhle ungestört weiter untersuchen zu können, hatte er Fritz erklärt, er brauche erst in zwei Stunden wiederzukommen und solle so lange bei Ernst oder Fridolin mithelfen, weil er bei der mühseligen linken Seite weiter schlagen wolle und da dauere es ja einige Zeit, bis sich genügend Material zum Abtransport angesammelt habe.

Als Fritz mit der halbvollen Karre abgeschoben war, sah Knut auf seine Taschenuhr, denn er wollte höchstens eine halbe Stunde in dem geheimnisvollen Gewölbe bleiben, um nichts zu riskieren. Er kroch durch das Loh, stellte die Lampe dicht an die beschriftete Wand und zeichnete die Symbole und Buchstaben in sein mitgebrachtes Heft. Ununterbrochen hob und senkte er den Kopf, um die Zeichen möglichst genau aufs Papier zu übertragen, dabei hörte er immer mit einem Ohr zur Öffnung. Das erste Bild war eindeutig ein Fisch, dieser rechte Winkel und der spitze Stein kamen jeweils dreimal vor.

Als er fertig war, nahm er das Licht und betrachtete kurz die blaue Schüssel, auf der seine Fingerspuren deutlich zu erkennen waren. Er sammelte die anderen Metallteile auf, besah sich die kleinen Spiralen, Schrauben, Ringe und Bruchstücke und steckte sie in die Hosentasche. Er schritt vorsichtig weiter, beleuchtete dabei Wand und Boden, kam an das Ende dieser Ausbuchtung und ging nach links weiter, folgte der Rundung einer Ecke und gelangte in einen schmaleren Gang.

Dort fand er eine handtellergroße Scheibe und hob sie auf. Sie war dünn, biegsam, sehr leicht und hatte in der Mitte ein Loch; sie kam ihm vor, wie eine andere Form einer Schallplatte. Knut hängte die Lampe an einen Knopf, zog sein Taschentuch heraus und wischte beide Seiten ab. Nachdem die Staubschicht entfernt war, glänzten die Flächen silbern wie Spiegel. Auf der Seite, die nicht ganz so blank war wie die andere, stand in ordentlicher Schrift: ´LA SOVAGULO´. Er hielt die Scheibe mit beiden Daumen und bog sie außen nach unten, sodass die gelochte Mitte sich wölbte. Plötzlich gab es einen Knall und dieses spiegelnde Teil zerbrach in zwei Hälften, wobei einige Splitter weit weg flogen. Knut verfluchte sich und seine übertriebene Biegerei, legte das zerstörte Fundstück wieder hin und ging weiter.

Er hob die Wehrmachtslampe und entdeckte an der Wand eine weitere Zeichnung. Dieses Mal handelte es sich um mehrere verschieden große Kreise, die unterschiedlich stark ellipsenförmig waren. Auf jeder Linie war an versetzten Stellen ein Punkt markiert, von denen manche wiederum einen eigenen Ring hatten. Außerdem gab es in der Mitte noch eine dickere Kugel. Dazwischen waren zahlreiche kleinere Punkte und Ansammlungen von ihnen. Auch diese Darstellung war in den Fels geritzt, die Vertiefung geschwärzt worden. Knut zog die Kreise mit dem Bleistift aufs Papier und zählte neun, mit dem Punkt im Zentrum kam er auf zehn. Als er nach einem schnellen Blick zur Uhr wieder einen Moment auf die Ringe sah, kam ihm schlagartig die Erkenntnis, dass es sich um unser Sonnensystem handeln musste: die Linien zeigten die Umlaufbahnen der Planeten, im Mittelpunkt war die mächtige Sonne und verstreut dazwischen einige Sternbilder.

Er ging ein paar Schritte weiter in den Gang, hielt das Licht hoch wie ein Kran und sah, dass noch ein größerer Raum kam. Dann eilte Knut zum Durchbruch zurück und kroch wieder in den Stollen, in eine andere Welt. Er packte das Schreibzeug in seinen Rucksack und machte sich an die Arbeit. Um Zeit und damit Erzmaterial aufzuholen, schlug er nicht nur links, sondern ab und zu auch in die lockere Flanke, wo sich gleich immer die zehnfache Menge löste. Bei jedem Zuhauen dachte er an das gerade Gesehene, an die ovalen Kreise der Planeten, die Sonne und besonders an die noch zu erforschende Kammer. Was würde er dort noch finden? Weitere Zeichnungen, Symbole und Buchstaben oder fremdartige Gegenstände? Er schaufelte das gebrochene Gestein beider Seiten auf einen Haufen, nahm dann wieder die Hacke und hieb die Spitze mit aller Kraft in den harten Fels.

Fritz kam vor der vereinbarten Zeit zurück - und mit ihm Riemer, der vor ihm her trabte und rückwärts in die Schubkarre gefallen wäre, wenn Fritz plötzlich beschleunigt hätte.

"Na, so richtig geht es hier bei dir ja nicht weiter."

"Warum?"

"Ich habe den Eindruck, dass du bis vor kurzem schneller gearbeitet hast." Riemer schätzte die Länge des neuen Gangs ab.

"Finden Sie?"

"Außerdem hast du deinen Kollegen keine Anweisungen zu geben und sie woanders einzuteilen."

"Ich wollte nur unnötige Wartezeit vermeiden", erwiderte Knut und sah Fritz' Gesichtsausdruck, der völlige Schuldlosigkeit signalisierte. "Die linke Seite hier ist extrem hart. Da dauert das Brechen ein vielfaches länger."

"So?" Der Steiger ging zu der schwierigeren Wand und untersuchte das Gestein. "Dann lass diese Seite. Da ist sowieso nicht viel Erz drin."

"Aber dann werde ich hier ganz schräg."

"Na und? Wir brauchen Erz und keine exakten Stollen."

"Wenn Sie meinen. Sie sind der Chef."

"Genau. Und das solltest du auch nie vergessen."

"Wie könnte ich das", antwortete Knut mit einem Hauch Ironie.

"Und was ist mit dieser Höhle?"

"Was soll damit sein?" Er blickte zu Fritz, doch der schaute mit verschränkten Armen unbeteiligt zur Stollendecke.

"Ich möchte nicht, dass du da hineingehst. Das ist zu gefährlich und kostet nur unnötig Zeit."

"Ich musste nur meinen Flachkeil daraus fischen, das war gleich vornean."

"Also richtig drin warst du nicht?", fragte Riemer misstrauisch.

"Nein."

"Dann bleib auch dabei. Du hast hier genug zu tun."