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Montag, 25. März 2024

Die beiden Arbeiter zerratterten mit ihren Presslufthämmern die Asphaltschicht, zwei andere schippten das gelöste Material in einen Container und stützten sich dann wieder auf ihre Schaufeln ab. Es war nur eine kleine, begrenzte Baustelle auf der Straße Unter den Linden, die aber trotzdem den Verkehr erheblich behinderte. Wenn die Männer mal eine kurze Pause machten, sahen sie rechts die genervten Autofahrer und links die parkähn-lichen Zwischenstreifen mit den vielen Bäumen an beiden Seiten, die in der Mitte schon teilweise ein grünes Blätterdach bildeten. Die Arbeiter verstanden nicht, dass bei dem herrlichen Wetter keine Leute auf den Bänken saßen. Natürlich hatte ihr knatternder Lärm schon alle vertrieben und hielt andere fern. Sie selber vernahmen durch ihren Gehörschutz ja nur das übliche dumpfe Trommeln.

Die Rentnergruppe aus Celle hatte die Zeit zur freien Verfügung zu einem Bummel entlang der Schaufenster der Friedrichstraße genutzt und sich mal wieder darüber gewundert, wie protzig sich der ehemalige Osten so entwickelt hatte. Die drei Männer regten sich darüber auf, dass dieser Luxus hier von ihren Solidaritätszu-schlägen und Steuergeldern bezahlt worden sei und stritten gleich wieder über den richtigen politischen Weg. Die fünf Frauen bestaunten die Auslagen und Preise der Schaufenster. Sie wären auch gerne mal in die Kaufhäuser und Geschäfte gegangen, doch dafür reichte die Zeit nicht mehr. In einer Stunde war Treffen und Busabfahrt am Pariser Platz. Nun bogen sie rechts in die imposante Straße Unter den Linden ein. Die Frauen schlugen vor, doch auf dieser wunderbaren Allee des Mittelstreifens zu gehen. Die Männer hätten lieber das moderne Laufband auf dem breiten Gehsteig benutzt, fügten sich aber der weiblichen Mehrheit. Als sie den Baulärm hörten, lästerten die Männer sofort wieder, dass da ja schon wieder ihr Geld verbraten werde.

Die Arbeiter vibrierten mit ihren Maschinen, in ihrem Blickfeld waren nur ihre Schuhe, der rasende Meißel und die Asphaltstücke. Die Männer gingen zwei Schritte hinter den Frauen und sprachen darüber, warum man denn noch keine leiseren Presslufthämmer erfunden hatte. Als die Frauen auf der Höhe der Baustelle waren, fiel vereinzelt etwas von den vier höheren Bäumen, die hier im Karree standen. Eine Frau fing mit der offenen Hand ein Blütenteil auf, roch daran und meinte, es würde gesund riechen. Dann rieselten immer mehr traubenförmige Blütenkätzchen herab, zusätzlich schwebte weißlicher Pollenstaub herunter.

Die Leute aus Celle wedelten oder wischten es mit den Händen weg und begannen zu husten. Jetzt lösten sich richtige Puderwolken von den Bäumen, bedeckten die Menschen wie mit einer Mehlschicht. Der jüngste der Männer bekam keine Luft, er fingerte an seinen Hosentaschen herum, zog ein Asthmaspray heraus, sein Atem ging schwer und pfeifend, das Spray fiel ihm hin. Zwei Frauen krochen auf allen Vieren aus diesem Bereich, husteten und japsten nach Luft. Ein Mann rief die Gattin des Asthmakranken, der umgefallen war, bläuliche Lippen hatte und röchelte.

Die an den Presslufthämmern hörten nichts und ratterten weiter. Die gerufene Ehefrau rutschte auf diesem Blütenbelag aus, stürzte aufstäubend der Länge nach hin und regte sich nicht mehr. Eine Frau kreischte, ihr Mann stand vornübergebeugt und Luft schnappend. Die anderen beiden Bauarbeiter ließen ihre Schaufeln fallen und rannten zu der Gruppe. Der eine Mann hatte das Spray gefunden, kniete sich neben den Asthmatiker, der jetzt eine violette Nase und verdrehte Augen hatte, glasiger Schleim lief aus dem Mund. Schweiß rann von seiner bleichen Stirn, das Atmen war nur noch ein brummendes Gurgeln. Der Mann schob ihm das Mundstück zwischen die blauen, leblosen Lippen und drückte, schrie seinen Namen und drückte.